Anton Faistauers Großer Salzburger Votivaltar in der Pfarrkirche Maishofen
Öl auf Leinwand, 1918/19 (Mitteltafel und Innenflügel) bzw. 1919 (Außenflügel)
Mitteltafel: Pietà (185 x 200 cm)
Linker Innenflügel: Hl. Martin und der Bettler (185 x 94,5 cm)
Rechter Innenflügel: Hl. Sebastian und die Frauen (185 x 94,5 cm)
Linker Außenflügel: Allegorie der Verzweiflung (185 x 93 cm)
Rechter Außenflügel: Allegorie der Hoffnung (185 x 93 cm)
Leihgabe des Museums der Moderne Salzburg, Inv. Nr. BU 3755
Seit April 2010 ist eines der Hauptwerke Anton Faistauers in der Pfarrkirche Maishofen zu sehen: sein „Passionsaltar“, wie er ihn nannte, entstanden zwischen Sommer 1918 und Herbst 1919 im nahe gelegenen Elternhaus „Gasthof Post“. Er ist ein Auftragswerk für das Land Salzburg einerseits – Faistauer wurde für die Anfertigung eines „Kriegsgedächtnisbildes“ extra vom Militärdienst freigestellt – und andererseits ein ganz persönliches Dokument, gemalt in ständiger Angst um seine todkranke Frau Ida.
In der Pietà der Mitteltafel ist „Idschi“ ein letztes Mal porträtiert, nachdem Faistauer sie über zehn gemeinsame Jahre hinweg rund sechzig Mal wiedergegeben hatte. Als Muttergottes beklagt sie den Tod ihres Sohnes, umgeben von drei Jüngern und Maria von Magdala. Die Figurengruppe baut sich am vorderen Bildrand auf und füllt fast das ganze Format; auffallend ist ihre Geschlossenheit, sie mutet wie die ideale Form eines Berges an. Den Gipfel bildet dabei ein wirklicher Berg, Golgatha, – das Gipfelkreuz ist das Kreuz Christi, blutrot untermalt. Dahinter verweist das Alpenpanorama auf die Umgebung, in die Faistauer das Geschehen verlegt – in die eigene Heimat (ein gängiger Kunstgriff seit dem Mittelalter, um das Gefühl des Beteiligt- und damit auch Betroffenseins herzustellen).
Das Kreuz bzw. der Gekreuzigte selbst erscheinen noch einmal in der Haltung Mariens – die ausgebreiteten Arme und übereinander gelegten Füße – als Hinweis auf ihr eigenes Leid, ihre eigene Passion. Getröstet wird sie von jenem Jünger, der ihre Hand hält und sie liebkost und vermutlich Johannes sein soll, recht eindeutig aber Anton Faistauer ist, der wiederum mit seiner Frau leidet.
In einem Brief des Malers aus dem Jahr 1911 heißt es: „Meine Figuren werden den Bergen nicht unähnlich sein u. immer werden sie das Ebenbild des großen Gottes sein.“ Das kann man hier beobachten und es gilt generell für Faistauers Kunst: das Dargestellte ist in sich geschlossen, in sich ruhend und fügt sich in runde oder ovale Grundformen als Ausdruck eben einer göttlichen Ordnung.
Wird in der Mitteltafel das Leid in eine Form gegossen, so sind es auf den inneren Seitenflügeln die Werke der Barmherzigkeit: links teilt der Hl. Martin seinen Mantel mit dem Bettler, rechts werden die Wunden des Hl. Sebastian getrocknet. Wieder sind die Figuren eng aufeinander bezogen und legen eine bestimmte Bewegung im Bild fest, eine von innen nach außen gehende, sie kippen gleichsam weg.
Schließt man den Altar, erscheinen zwei Frauen als Sinnbilder von Verzweiflung und Hoffnung. Die eine, violett gekleidet, kämpft verzweifelt gegen das Böse in Gestalt von zwei Schlangen; die andere im roten Kleid wendet sich bittend gen Himmel. Auch diese Figuren vollziehen die Bewegung in der Schräge von unten innen nach oben außen, kehren einander den Rücken und driften auseinander.
Das Thema des Votivaltars „Schmerz und Tod versus Hoffnung und Trost“ ist hier also auf verschiedenen Ebenen vorgestellt. Inhaltlich allein schon dreifach (Leidensgeschichte, Heiligenlegende und Allegorie), formal (das Schwankende bzw. Ruhende) und auch hinsichtlich der Farbe: violett weist auf die Passion, rot auf die Liebe aber auch auf das Blut Christi, und blau auf die Hoffnung. Dabei fällt auf, das Marias blauer Umhang, der sie sonst stets als Muttergottes kennzeichnet, hier fehlt. Das heißt, die Hoffnung ist verloren, der Tod überschattet das Leben, die Auferstehung ist noch nicht erfolgt.
Faistauer stellte den Altar bis zum Sommer 1919 soweit fertig, dass Mitteltafel und innere Seitenflügel in der 1. so genannten Wassermann-Ausstellung im Salzburger Künstlerhaus gezeigt werden konnten. In der Nacht vor der Ausstellungseröffnung am 3. August starb Ida Faistauer an der damals grassierenden Kopfgrippe; sie wurde 33 Jahre alt. An den beiden Außenflügeln arbeitete Faistauer noch bis in den Herbst hinein; der gesamte Altar wurde dann im folgenden Jahr auf der „Kunstschau 1920“ in Wien präsentiert.
Jetzt ist er an seinen Entstehungsort zurückgekehrt und erstmals in einer Kirche zu sehen – ein „Kriegsgedächtnisbild“, das sehr persönlich und gleichzeitig allgemeingültig ein Thema behandelt, von dem alle Menschen betroffen waren und sind. Die Kunst kann dabei helfen, Leid zu überwinden, genauso wie die Religion und die Natur – all das fließt hier zusammen und schafft am Ende doch auch Zuversicht.
Anne-Katrin Rossberg